Wenn der Sommer eh nicht stattfindet, kann man es sich mit einer Tasse Tee auch gemütlich machen und lesen…
Teil 1: Die „Schwarze Königin“
Dunkle Machenschaften, Zauberer und Wahrsager, Massaker und Giftmorde wurden der frühneuzeitlichen Herrscherin angedichtet. Fast dreißig Jahre hielt sie sich als Regentin dreier Söhne mit angeblich skrupellosen Taktiken an der Spitze der Macht – dabei hat ihr Frankreich bis heute so einiges zu verdanken.
Schuldige der Bartholomäusnacht
August 1572. Nackte Menschenleiber, brutal niedergemetzelt, verstopften die Straßen von Paris. So viele Tote sollen es gewesen sein, dass eine blutige Flut durch die engen Gassen strömte, die alle mit sich hinunter zur Seine fortriss. Dabei hatten sich die Tausenden, die nun übelriechend den Fluss zum Grabe hatten, erst Tage vorher zu einem hochfeierlichen Anlass nach Paris begeben.
(Der Link führt zur Seite des Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne.)
Die Hochzeit der jüngsten Tochter Katharina de‘ Medicis, die katholische Margarete (la Reine Margot), mit dem Protestanten Heinrich von Navarra, sollte die seit einem Jahrzehnt sich bekämpfenden Lager endlich befrieden.
Doch am Tage des Heiligen Bartholomäus erfolgte mit dem morgentlichen Glockengeläut von Saint Germain l’Auxerrois der Startschuss zum Pogrom gegen die hugenottische Minderheit. (So heißt es u.a. bei Jean Orieux, wenn auch das Musée cantonal in Lausanne die Konventkirche Grands-Augustin nennt). Angeordnet und organisiert angeblich von keiner anderen als der Brautmutter und Regentin des jungen Königs.
An drei Tagen starben schätzungsweise allein in Paris bis zu 3000 Protestanten. Weit mehr starben in den folgenden Monaten durch den blutgierigen Mob in den Provinzen des Landes.
Opfer der Geschichtsschreiber
Generationen von Historikern gaben der italienischen Bankierstochter die Hauptschuld an dem Pogrom, der als erstes modernes Staatsmassaker gilt. Dieses Bild hat sich besonders durch die Populärkultur unabänderlich in unseren Köpfen erhalten. Dabei hat ihr Biograf Orieux schon Ende der 1980er gegen diese misogyne Interpretation eines frühneuzeitlichen Herrscherinnenlebens angeschrieben.
Seit einigen Jahren nun wird sie sukzessive rehabilitiert und wird die Rolle Katharinas differenzierter bewertet. Demnach habe sie zwar die Festnahme, durchaus auch die Ermordung einiger prominenter Protestanten hingenommen. Aber der bekannte Ausgang sei der ungezügelten und spontanen Mordlust geschuldet.
Näher an der Wahrheit liegt, dass die Zeitgenossin des englischen Königs Heinrich VIII., die drei Jahre jünger war als dessen Tochter Maria (die berüchtigte Bloody Mary), in ihren Bemühungen um Ausgleich zwischen den Konfessionen durch mächtige Männer behindert wurde.
Opportunistin oder Realpolitikerin?
Frankreich war in der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts zwischen zwei mächtigen Lagern aufgerieben: dem der Katholiken, unter Führung der Guisen, und der Protestanten, angeführt vom Haus Bourbon. Katharina musste als Regentin ständig zwischen den verfeindeten Lagern lavieren. Dabei war sie stets misstrauisch darauf bedacht den Thron ihren Nachkommen zu erhalten.
Anders als ihre männlichen Gegenspieler, habe sie jedoch in Zeiten von Religionskriegen und leeren Staatskassen die Notwendigkeit zum politischen Kompromiss verstanden. Doch ihre Bemühungen scheiterten am zeitgenössischen Gewaltpotenzial. Jean Orieux beschreibt Katharina als eine Getriebene ihrer Zeit, in der ihre Verständigungspolitik dem (männlichen) Vergeltungsdrang zum Opfer fiel.
In dem jahrzehntelangen Ringen um einen diplomatischen Ausgleich habe Katharina die Regierung geführt, wie ihre italienischen Ahnen ihr Bankgeschäft. Dabei bezog sie, obwohl am päpstlichen Hof erzogen, nie einseitig zugunsten der katholischen Liga Partei. Vielfach konnte Katharina sogar besser mit den Protestanten in Verhandlungen treten und mit ihnen koalieren. Das handelte ihr jedoch den Verdacht ein, selbst Häretikerin zu sein, zumal wegen ihres Vertrauens in Horoskope und Magie. Sie habe gar ihre politischen Entscheidungen nach dem Stand der Sterne bestimmt!
Mit ihrer wechselnden Taktik sicherte sich Katharina weniger haltbare Bündnisse, als vielmehr etliche Feinde. Auf lange Sicht verspielte sie sich obendrein ihre Glaubwürdigkeit.
Schicksalsjahre einer künftigen Königin
Dass die Italienerin einmal die Geschicke Frankreichs über Jahrzehnte hinaus lenken würde, war nicht abzusehen. Als Spross der zwar reichen, aber nicht adeligen Florentiner Bankiersfamilie war Katharina de‘ Medici hinter vorgehaltener Hand als „Krämertochter“ verspottet.
Aussichten auf dem Heiratsmarkt europäischer Fürstenhäuser hatte sie allein aufgrund des hohen Standes ihrer Mutter, Madeleine d‘ Auvergne, einer französischen Prinzessin. Sowie aufgrund der Tatsache, dass sie die Nichte zweier Päpste war.
Ihre frühen Jahre waren von Schicksalsschlägen bestimmt. Nur Tage nach Katharinas Geburt 1519 starb ihre Mutter im Kindbett. Der Vater starb kaum zwei Wochen später, wohl an den Pocken. Es folgte eine wechselreiche Unterbringung bei Verwandten an den Höfen in Florenz und Rom, wo ihr Onkel als Leo X. regierte. Doch im politischen Ränkespiel zwischen den Päpsten und Kaiser Karl V., in deren Folge Rom im berüchtigten Sacco di Roma geplündert und die Medici kurzzeitig die Macht über Florenz verloren, geriet Katharina zwischen die Fronten. Sie endete als Geisel der Republik, mit Vergewaltigung und Tod bedroht.
Das Blatt wendete sich für Katharina, als ein weiterer Onkel Papst wurde. Clemens VII. nahm sie nicht etwa aus verwandtschaftlicher Fürsorge heraus zu sich an den Hof. Vielmehr hatte er in seiner reichen Nichte ein wertvolles Bündnispfand erkannt. So kam es, dass die gerade vierzehnjährige Katharina 1533 die Braut des zweitgeborenen Sohnes von König Franz I. wurde.
Am Hof des Ritterkönigs Francois I.
Am Hof hatte sie lange einen schweren Stand, zumal die Ehe mit dem zögerlichen Heinrich zehn Jahre kinderlos blieb. Der umgab sich lieber mit seiner Favoritin Diane de Poitiers, die als Schönheit ihrer Zeit galt. Vor der Verbannung bewahrte Katharina allein, dass sie es geschickt vermochte sich den königlichen Schwiegervater zum Verbündeten zu machen. Der Renaissancefürst, in dessen Armen der Legende nach Leonardo da Vinci verstarb, fand Gefallen an seiner gescheiten, wenn auch weniger ansehnlichen Schwiegertochter.

Katharina beeindruckte, indem sie überraschend gut mit den derben Sitten bei Hofe zurechtkam. Außerdem war sie eine gute Reiterin und gewandt in höfischer Konversation. Und sie brachte das richtige Maß an italienischer Raffinesse mit. Mit dieser machte sie sich in den folgenden Jahren daran die spätmittelalterlichen Manieren zu verfeinern.
Einstweilen musste sich Katharina jedoch mit der Rolle der unauffälligen Ehefrau begnügen, in den Schatten gestellt von ihrer Rivalin, der schönen Diane. Vernunftbegabt wie Katharina indes war, ertrug sie jede Demütigung duldsam und übte sich in ihren wohl wichtigsten Tugenden, auf die sie sich auch später stützen würde: Ihre Fähigkeit zur zähen Beherrschung und schlauen Kompromissbereitschaft.
Gut Ding will Weile haben
Sie arrangierte sich in der Dreiecksehe, obwohl sie in ehrlicher Liebe zu ihrem untreuen Ehemann verbunden war. Doch war es auch Diane, die Heinrich seiner ehelichen Pflichten erinnerte. Denn als sein Bruder 1536 unerwartet starb und Heinrich selbst zum neuen Thronanwärter aufstieg, war ein baldiger Kindersegen unumgänglich. Dianes gutes Zureden auf der einen Seite, sowie die Versorgung mit medizinischen Heilmitteln, um Katharina fruchtbar zu machen, auf der anderen, taten schließlich das notwendige Wunder. Die Dauphine gebar 1544 ihr ersehntes erstes Kind. Innerhalb der nächsten zwölf Jahren folgten acht weitere.
Dass hinter Katharinas fügsamer und loyaler Fassade eine machtbewusste und diplomatisch talentierte Frau schlummerte, ahnte zu dieser Zeit niemand. Als Königin fehlte ihr politisches Gewicht, da sie zugunsten der Mätresse aus den Staatsgeschäften herausgehalten wurde.
Doch dann wollte es das Schicksal, dass ausgerechnet die italienische Krämertochter ins Zentrum der Macht stieß. Ein Lanzenstoß des unglückseligen Grafen Montgomery bedeutete das jähe und qualvolle Ende des Königs. Damit sollte die Zeit der „schwarzen Königin“ beginnen, die den Witwenschleier nie wieder ablegen würde.
Teil 2 erscheint nächsten Sonntag. Lest darin weiter, wie Katharina die Kultur Frankreichs nachhaltig beeinflusst hat!
Quellen:
Jean Orieux, Katharina de‘ Medici, oder die Schwarze Königin, München, 1993.
Caroline Zum Kolk, Zwischen Tradition und Moderne: Katharina von Medici und der französische Hof zur Zeit Karls IX. In: Ulrike Ilg (Hrsg.), Fürstliche Witwen in der frühen Neuzeit – zur Kunst- und Kulturgeschichte eines Standes, Petersberg,
Michael Imhof Verlag, 2015, S. 75-87.
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Ein Kommentar zu „Geschichte zum Sonntag: Katharina de‘ Medici und ihr Einfluss auf Frankreich – Etikette, Schlossbau und die Gabel (1|2)“
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